Irgendwann braucht jeder eine Pause von der Wichtigmacherei mit aktueller Popmusik. In so einem Moment war glücklicherweise der Gitarrist Marc Ribot zur Stelle.
Der gestrige Donnerstag war wie immer auch ein wenig von folgender Frage geprägt: Welche Musik hat mich am nachhaltigsten durch die Woche begleitet? War es das Album „AM/FM“ von !!! (gesprochen Chk Chk Chk), das ich mir endlich anhört habe? Nein, das war in Wahrheit ein riesige Enttäuschung, langweilige Songs, die mit aufgeregten Drumloops zu einer Art DJ-Mix für arme Indie-Rocker zusammengestoppelt worden sind. War es Sufjan Stevens mit „The Age Of Adz“? Auch nicht, denn bei aller Liebe hat mich das elektronische Gefiepe aus dem Bastelkeller im Zusammenhang mit der Folk-Ästhetik eher belästigt – ich unterstelle dem ansonsten grundsympathischen Herren Stevens hier einfach einmal, dass er modern sein wollte und dafür nur bedingt geeignet ist.
Bleibt noch Carl Barât, der jetzt Dandy ist. Das ging trotz gefälliger Produktion und ein paar guten Pop-Song-Ideen auf dem schlicht „Carl Barat“ betitelten Solo-Album gründlich schief und war nebenher der Beweis, dass sein Kollege bei den Babyshambles, Pete Doherty, der talentiertere Dandy und Autor ist.
Bei so viel Fehlschlägen hat mir dann bloß einer geholfen. Er ist Gitarrist von Beruf, kennt sich bei kubanischer Tanzmusik genau so gut aus wie bei kontrolliertem Lärm, hat mit Tom Waits gespielt und wird von Joe Henry angerufen, wenn der im Studio einen Spezialisten für Fernfahrer-Riffs sucht, die weder nach Country klingen, noch nach Klischee. Kurz, Marc Ribot weiß, was er tut.
Und nun hat er ein Album veröffentlicht, das 13 Stücke versammelt, die es nie auf die Filmsoundtracks geschafft haben, für die er sie geschrieben hat oder die von anderen Filmmusiken inspiriert sind. Das Album heißt „Silent Movies“ und kommt nur mit Ribots Gitarrenspiel aus. Das klingt nach einer gefährlichen Drohung, aber weil Herr Ribot ja nicht vom Hardrock kommt, erweist er sich einmal mehr als Mann des Geschmacks und der Zurückhaltung. Die Gitarre ist für ihn weder Sportgerät noch Schwanzverlängerung. Sie hilft ihm, Stimmungen zu erzeugen. Und ja, auch Fernfahrerstimmung ist dabei, aber eben nicht für echte Fernfahrer, sondern für Schreibtischtäter wie mich, die in manchen Momenten dazu neigen, das Befahren von schnurgeraden Straßen durch den Indian Summer zu romantisieren.
Glücklicherweise passieren einem diese Momente genau dann, wenn man viel zu viel Zeit mit Rufzeichen-Tanzmusik und scharf gekleideten Engländern vergeudet hat. Ja, dieser Marc Ribot ist ein guter Mann. Und so klingt übrigens ein Song auf „Silent Movies“, er heißt „The Kid“.
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Herrlich, nicht wahr? Ich sehe schon wieder die Straße vor mir.