Das erste Album des Wunderkinds aus Großbritannien klingt oberschlau. Kein Wunder, denn James Blake ist tatsächlich oberschlau.
Er steht auf der Liste aller Wichtigtuerlisten. Er ist der Darling der Musikblogs und daher auch im unsrigen schon zu hören. Und er ist wirklich gut, oder wie drüben im Standard festgestellt wird: modern.
Zugegeben, ein bisschen gar oberschlau kann einem das schlicht „James Blake“ betitelte Album des 22jährigen Briten James Blake schon vorkommen. Ein naturtrauriger Klavierspieler, der sich zeitgemäß frisiert, naja. Aber es soll schließlich auch Vorzugsschüler geben, die beliebt sind. Und da vor Blake noch keiner Klagelieder aus dem Dubstep-Club erfunden hat, gebührt ihm dieser Tage die Ehre, die ihm eben gebührt.
Das Tolle an dem mit 38 Minuten Gesamtlänge sehr schlank gehaltenen Album ist, dass es so schlüssig funktioniert. Pathos trifft auf Gerumpel trifft auf Kitsch trifft auf Geräusch – und damit ihm keiner Ideenlosigkeit vorwerfen kann, macht Mister Blake immer wieder ganz lange Pausen im Sinne der Dramaturgie. Wir lernen: Alles lässt sich steigern, und darum ist hier ganz wenig sehr viel.
Mit dieser Methode spannt er einen Bogen, der das ganze Werk zusammenhält, obwohl der Künstler mit seiner digital verfremdeten Stimme meist so wirkt, als wäre er bei seinen Songs gar nicht anwesend. Diese Kühle ist es auch, die Blake letztlich über den Vorwurf erhaben macht, er liefere auch nichts anderes als den Soundtrack für Neobiedermänner- und -frauen, die in Altbauwohnungen auf Ikea-Couch und Plastiksesseln aus den Siebzigern ihrer austauschbaren Individualität frönen.
Vorgestern lief dort noch die Melancholie der Sängerin Feist, deren „Limit to Your Love“ Blake obendrein auch noch in entschleunigter Form covert, gestern liefen noch die Tränen Antony Hegartys und seiner Johnsons, heute ist James Blake mit seinem sehnsüchtigen Blick dran, oder?
Oder nein, das täuscht eigentlich. Hier gibt‘s nämlich keine Gefühle. Hier versuchen sich Roboter am Liebeskummer. Hier haben Computer den Blues. Hier ist alles nicht echt. Hier erfindet einer Popmusik für Super-Nerds. Und wie schon gesagt: Guten Erfindern gebührt die Ehre, die ihnen eben gebührt.