Das unabhängige Königreich Bhutan ist ungefähr so groß wie die Schweiz, aber ungleich gebirgiger. Achtzig Prozent des Landes liegen über 2000 Meter Seehöhe. Der Lebensfreude tut diese abgeschiedene Lage keinen Abbruch. Im Gegenteil: Bhutan gehört – wie übrigens auch die Schweiz – zu den zehn glücklichsten Ländern der Welt. Ob das damit zu tun hat, dass das Fernsehen in Bhutan bis 1999 verboten war, lässt sich nicht sagen. Auch dass der Verkauf von Tabak mit so hohen Geldstrafen belegt ist, muss nicht zwingend dafür verantwortlich sein, denn schließlich befindet sich auch Österreich unter den Top Ten, und dort finden sich noch immer zahlreiche Gaststätten, in denen Rauchzwang zu herrschen scheint.
Es zeigt sich also schon an so banalen Vergleichswerten wie Fernsehen und Rauchen, dass individuelles Glück nicht nur im Rahmen einer gern gebrauchten Plattitüde relativ ist, sondern auch tatsächlich.
Das BIP ist viel zu unmenschlich für Buddhisten
Aber bleiben wir noch kurz in Bhutan, wo schon im Jahr 2008 das Bruttosozialglück eingeführt wurde, um der rein ökonomisch bestimmten Bewertung des Landes mittels Bruttoinlandsprodukt (BIP) etwas Menschlicheres entgegen zu setzen. In ihrer auf buddhistischen Werten aufgebauten Gesellschaft erschien den Bhutanern das BIP als Messinstrument viel zu ungenügend. Also bestimmen sie heute ihr Bruttosozialglück und berücksichtigen dabei auch Faktoren wie das psychische Wohlbefinden, den Umgang mit Zeit, die Lebendigkeit der Gemeinschaft, Kultur, Gesundheit, Bildung oder Vielfalt der Umwelt.
Dieses Streben nach Glück ist nun auch in den Vereinten Nationen angekommen. Bhutan wird für die nächste Generalversammlung eine Diskussionsrunde über Glück und Wohlbefinden organisieren, im kommenden Jahr gibt es dann einen Bericht darüber.
Diese kleine Initiative erscheint einem dieser Tage notwendig wie nie zuvor. Erstens, weil das BIP derzeit vor allem dazu dient, um die sagenhaft hohe Staatsverschuldung von Staaten abzubilden – als Variable in einer Gleichung, die immer eine weitere schlechte Nachricht zum Ergebnis hat. Und zweitens, weil das Bruttosozialglück vielleicht alles ist, was uns noch bleibt.
Stürzt uns die Eurokrise ins Unglück?
Die große Eurokrise, von der alle reden, hat zwar noch immer kein Gesicht, aber sie wird angeblich viele ins Unglück stürzen. Das führt zu vielen bangen Fragen: Werde ich mir das Essen nicht mehr leisten können? Werde ich meine Kunden verlieren, weil sie sich mich nicht mehr leisten wollen? Werde ich arm sein? Und was heißt es, arm zu sein, wenn man nie richtig reich war?
Vor allem fürs individuelle Glücksempfinden heißt es auf den ersten Blick nichts Gutes, denn die Glücksforschung stellt schon lange eine positive Korrelation zwischen Einkommen und Glück fest. Wer Einkommen und Vermögen erhöht, wird mit seinem Leben zufriedener. Oder mit einem nicht mehr ganz taufrischen, aber inhaltlich unverändert gültigen Zitat des Vermögensforscher Thomas Druyen formuliert: „Alle wollen immer reicher werden. Die Glücksforschung ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Mensch nie genug Geld kriegen kann. Das gilt für alle Menschen.“
Das Verhängnis des Strebens nach Glück
Ironie der Geschichte ist allerdings, dass genau der Wunsch nach mehr Glück durch höheres Vermögen auch die Basis für Spekulationen aller Art gelegt hat. Ahnungslose wie ich haben ihr Geld in Anlageprodukte investiert, die viel Glück in Form absurd hoher Renditen versprachen. Und so landete es in Fonds, die nun auf den Bankrott von Nationalstaaten und den Zusammenbruch der Euro-Zone wetten.
Blöd gelaufen und sicher ein Unglück für den Euro – aber der ist letztlich auch nur Geld, oder? Und das ist bei der Berechnung des Bruttsozialglücks nur mehr ein Faktor von vielen.
Dieser Artikel erscheint auf auf The European.
Foto: lesum, Lizenz: CC BY-ND 2.0