Victoria Hesketh alias Little Boots macht nervenzerfetzend heutigen Electropop und gilt schon jetzt als Superstar. Trotzdem könnte sie in ein paar Monaten schon wieder vergessen sein.
Es gibt viele Beweise für die alte Obelix-Weisheit, dass die Briten spinnen. Sie halten ihr Bier für gut. Ihr Geld besteht aus lauter komplizierten Münzen. Und sie halten sich für die Größten in Sachen Popmusik, weil sie einst die Beatles hatten und gerne vergessen, dass sie im Jahr 2000 in einem jener zwei Länder lebten, die DJ Ötzis „Hey Baby“ an die Spitze der Hitparaden gekauft hatten.
Aber bitte, wollen wir einmal nachsichtig sein. In Österreich sind die Hitparaden meistens noch bedrückender bestückt.
Nun jubeln die Briten über die 25jährige Viktoria Hesketh, die sich Little Boots nennt. Sie tun es bereits zum zweiten Mal, denn Little Boots führte schon im Jänner die Liste für den definierenden Sound des Jahres an, die jährlich von der BBC erhoben wird. Diese Prognose hatte schon in der Vergangenheit recht gute Erfolgsquoten (Keane, Mika), und daher konnte Miss Hesketh bereits vor ein paar Monaten davon ausgehen, dass ihr heuer das Königreich des Pop gehören wird.
Das Problem dabei: Es gab damals nichts von ihr zu hören. Keine Single, kein Album, nichts, was sie automatisch in die Charts hochgespült hätte. Stattdessen wurde sie nervös (in diesem Interview mit Popjustice erzählt sie davon), weil sie plötzlich alle für eine Göttin hielten, und schob die Fertigstellung ihres Debüt-Albums „Hands“ vor sich her. Sie wusste, dass sie nie so gut werden könnte, wie alle von ihr behaupteten.
Das ist ein grundsympathischer Zug, der jetzt, wo „Hands“ endlich erscheint, von allen Rezensenten gerne nacherzählt wird. Der Hype hat damit auch eine Geschichte – und die Musik wird gerade rechtzeitig vor dem Sommer auf Großbritannien und den Rest der Welt losgelassen. Sie wird wohl wirklich ein Hit werden, weil sie der feuchte Traum eines jeden Zeitgeist-Fetischisten ist: 80er-Jahre Tralala im Breitwand-Format, ein bisschen Italo-Disco, ein bisschen Kitsch, ein bisschen nervtötende Synthesizer, wie Wichtigtänzer sie vom angesagten französischen Label Ed Banger kennen.
Nur eines zeichnet sich schon jetzt ab: Die Platte ist so sehr ins Jetzt produziert, dass sie schon am Ende des Sommers recht abgestanden daher kommen könnte. Danach dauert es allerdings eh nur mehr ein paar Monate, bis die BBC einmal mehr die Zukunft der Popmusik errät. Und Little Boots sollte sich spätestens dann wieder auf ihre Karriere als Songwriterin konzentrieren.
„Stuck On Repeat“ zum Beispiel wäre, wie die Wikipedia verrät, eigentlich für Kylie Minogue gedacht gewesen. Das erklärt nicht viel, verrät aber doch noch ein letztes Detail zur Musik von Viktoria Hesketh: Sie neigt gelegentlich zum Piepsen – und das muss man echt mögen. Bei der neuen Single „New In Town“ ist es aber nicht so schlimm.
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