Sicher, die FPÖ ist eine unangenehme Truppe. Aber wer ihre Wähler weiterhin als verkappte Nazis abtut, wird keine Wahlen mehr gewinnen.
Ja, der eine Kommentator zum vor zwei Tagen veröffentlichten Text hatte schon recht: 85 Prozent der oberösterreichischen Wähler haben nicht für die xenophobe FPÖ gestimmt. Aber der andere hatte wohl auch recht, als er schrieb: „Die Zahl derer, die HC vor allem wegen seiner braunen Rülpser unappetitlich finden, aber seine Position zur Migration nicht ablehnen, ist vermutlich sehr viel größer. Man hat das Thema langsam aber sicher zum Problem hochproblematisiert, als ob wir keine anderen hätten.“
Zuerst wollte ich nur kurz seinem letzten Satz widersprechen, aber dann führte das Nachdenken darüber doch zu weit. Also noch einmal: Ja, auch ich hätte gerne, dass Zuwanderung kein Problem ist. Nur wurde es nicht hochstilisiert, sondern war schon immer da. Und bloß die FPÖ – zuerst mit Haider, ehe er sich als Staatsmann gefiel und danach lieber doch Provinzkaiser wurde, jetzt mit HC – hat das als strategischen Vorteil erkannt. Keine Frage, dass sie unappetitlich damit umgeht. Aber keine Frage auch, dass sie aus ihrer Sicht damit richtig liegt. Das Thema bringt nun einmal Wähler – und vor allem: zu viele Wähler, um sie bloß als Bodensatz, Modernisierungsverlierer oder verkappte Nazis abzutun.
Es tut vielleicht ein bisschen weh, das zu akzeptieren, aber nicht jeder, der die von Strache als „Heimatpartei“ definierte FPÖ wählt, träumt von der arischen Herrenrasse. Er ist bloß empfänglich für Populismus in der Definition von Werner T. Bauer von der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP), die auf ihrer Homepage auch eine Studie zum Thema Rechtspopulismus als Download anbietet, aus der folgendes Zitat stammt:
Konstitutives, vielleicht sogar wichtigstes Merkmal des Populismus ist die Identitätspolitik. Im Zentrum populistischer Ideologie steht „das Volk“, das als homogene, weitgehend nicht fragmentierte Einheit aufgefasst, mit moralisch aufgeladenen Chiffren besetzt („der kleine Mann“, „die Fleißigen und Tüchtigen“, „die schweigende Mehrheit“ etc.) und von der „machtgierigen“, „abgehobenen“, „korrupten“ Elite, dem Establishment, der „politischen Klasse“ abgegrenzt wird, wobei v.a. „die Intellektuellen“ die volle Wucht der populistischen Verachtung trifft. Und Politik, so verkünden die Populisten, müsse wieder ein Ausdruck des „wahren Volkswillens“ sein.
Dafür ist die österreichische Konsensdemokratie der eine perfekte Reibebaum – und Immigranten sind der andere. Österreich ist zwar spätestens seit dem Balkankrieg in den 90er-Jahren ein Migrationsland, aber das akzeptieren in Wahrheit nur die Eliten – und selbst die werden spätestens dann nervös, wenn sie ihre Kinder in eine öffentliche Schule mit hohem Ausländeranteil stecken müssten.
Der Rest ist der Meinung, dass Ausländer in Österreich auf Staatskosten ein feudales Leben führen und anstatt zu arbeiten Wohnungen und Häuser plündern. „Ausländerkriminalität“ lautet das Reizwort, das alle im Land erregt. Sie ist zu hoch. Niemand tut was. Man kann nimmer ruhig genug schlafen, um am nächsten Tag ordentlich seinen Beruf auszuüben.
So weit, so Boulevard-Klischee: Dass das Säbelrasseln der FPÖ auf konsensdemokratischem Wege von der regierenden großen Koalition längst in Asyl-Gesetze gegossen worden ist, die an Härte ihresgleichen erst suchen müssen, nutzt den beteiligten Akteuren wenig. Hart handeln und weich reden – das will keiner haben. Und sich mit dem Feind zu arrangieren, verwässert nur die Antwort auf die Frage, wofür man den selbst stehen wolle.
Diese Frage haben die Volksparteien bis heute nicht beantworten können. Die ÖVP nicht, weil sie Angst vor den Blut- und Boden-Katholiken in ihren Reihen hat. Und die SPÖ nicht, weil ihr sonst die Jugendorganisationen zerbröseln – und die letzten jungen Menschen im Kader will man dann doch nicht vertreiben.
Darum hören dann doch wieder alle nur die Sprüche der FPÖ. Denn Gesetze hin oder her – die Angst ist geblieben. Und es war vielleicht der größte Fehler der österreichischen Volksparteien, diese Angst zu ignorieren. Wenn sich der Wähler nicht verstanden fühlt, dann geht er. Und wenn er einmal weg ist, lässt er sich kaum mehr zurück gewinnen. Abgesehen davon: Wer zu lange geglaubt hat, dass in diesem Land keine Politik gegen die vermeintlich mächtige Krone und damit die vermeintlich definitionsmächtige Generation 60plus zu machen ist, hat diese Wähler auch nicht verdient.
So gesehen kann ich dann doch nur mehr den schon einmal formulierte These wiederholen: Alles wird anders. Nur Österreich bleibt Österreich.
P.S.: Zur weiterführenden Lektüre empfehle ich noch Martin Blumenaus gestriges Journal „Deutschland ist anders. Deutschland rückt nach links“ und Philip Sondereggers Blog-Gedanken zu „Ausländerfreundlich Wahlen gewinnen“. Beide haben etwas zu meinem Text beigetragen, aber es bot sich schlicht keine Gelegenheit, sie oben sinnstiftend zu verlinken.