Es gibt eine Frage, die ist wohl so alt wie das Kabarett als Kunstform selbst. Und sie geht so: Warum gibt es eigentlich kein rechtes Kabarett? Warum ist das Kabarett – ich spreche hier vor allem vom österreichischen, weil es das einzige ist, das ich in Auszügen ein bisschen kenne – immer wieder nur ein Tummelplatz für Menschen gleicher Gesinnung, die sich im Saal zuerst auf die Schenkel und dann auf die Schultern klopfen, weil ihnen von der Bühne herab bestätig wurde, dass sie der richtigen Gesinnung sind? Nämlich der der tendenziell liberalen, aufgeklärten, linken Zeitgenossen?
Erklären kann dieses Phänomen niemand so recht. Nicht die Kabarettisten auf der Bühne, nicht die Leute im Publikum, nicht die professionellen Beobachter der Szene. Warum sollen sie das auch, sind sie doch Teil des Systems, aus dem es kein Entrinnen gibt. Nun gab es aber gestern in der taz ein Interview mit dem Komikerduo Sterman & Grissemann zu lesen. Das definiert – trotz der Angewohnheit der beiden, Antworten ins Absurde abdriften zu lassen – einerseits eine recht schlüssige Trennlinie zwischen deutschem und österreichischem Humor. Und das nimmt sich ohne direkt von den Interviewer darauf hingestoßen zu werden des Rechts-Links-Themas an. Und zwar so:
„Grissemann: Mir stellt sich immer wieder die Frage, warum es keine rechten Komiker gibt – wenn die rechte Szene so groß ist. Das ist ein Phänomen.
Stermann: Obwohl, nehmen wir Jörg Haider und Heinz-Christian Strache bei ihren Reden – die Leute lachen in einer Tour. Die haben Gagschreiber, das ist eine Art rechtes Kabarett. Sie sind auch ganz gut – wenn man da Namen austauscht, könnten die Witze als Comedy durchgehen.
Grissemann: Aber dennoch gibt es keinen ausgewiesenen rechten Kabarettisten.
Stermann: Ich behaupte ja, dass es das in Deutschland längst gibt. Comedy ist in Wahrheit total rechts. Mario Barth ist – wenn überhaupt politisch – dann rechts. So etwas hat nichts mit Aufklärung zu tun oder Solidarität. Da geht es um Ausgrenzung, darum, sich selbst zu überhöhen und andere niederzumachen. Die Comedians nehmen selbst für sich in Anspruch, „Normalität“ zu repräsentieren, und „Normalität“ ist immer rechts. Männer sind so, Frauen können nicht Auto fahren – so haben unsere Eltern geredet.“
Ende des Auszugs. Und Beginn des Weiterdenkens. Denn dass Dirk Stermann (deutsche) Comedy als rechts abkanzelt, passt mir nicht nur gut ins Weltbild, weil ich das Genre verachte – es trifft es auch recht gut.
Denn während eine linke Weltsicht gegen Benachteiligung und Diskriminierung auftritt, setzt eine rechte gerade darauf – egal ob das dann Rassismus oder sonstwie heißt. Oder: Links setzt auf Fortschritt und Entwicklung, rechts darauf, dass alles so bleibt wie es ist. Oder: Linkes Denken ist international ausgerichtet (bis hin zur Globalisierungskritik), rechtes Denken ist national definiert. So weit, so ungenau.
Doch zurück zur Comedy: Comedy tut nämlich genau das, was Stermann kurz anreißt. Sie verarscht einfach. Sie beharrt auf dem Status Quo, weil sie gerade im Privatfernsehen boomt und damit breit sein muss. Sie weiß alles besser. Und sie beschert der Welt trotzdem immer wieder auch Ausnahmen wie die vor einigen Monaten viel diskutierte Kunstfigur Borat des britischen Komikers Sacha Baron Cohen, die alle rechten Ansätze von Comedy für sich übersteigert.
Borat redet nicht dem „Normalen“ in der Definition Stermanns das Wort, sondern ist gleich extrem normal: Er spricht so abfällig über Frauen, dass es die Normalität durchbricht. Er schimpft so gegen Juden, dass es die Normalität durchbricht. Und er findet dabei immer wieder genug Menschen bei seinen perfiden Attentaten, die seinen Extremismus nicht als solchen wahrnehmen. Die sind zwar auch Opfer, aber sie werden nicht – wie in der Comedy, die Stermann attackiert – von oben gejagt, sondern von unten. Ob das dann allerdings links ist? Keine Ahnung. Es ist auf jeden Fall aber nicht die Form der rechten Comedy die wir hier meinen. Und es ist auch keine Antwort auf die Frage, warum es nur linkes Kabarett gibt. In diesem Sinne: Zurück zum Start.
PS: Eine schöne Geschichte aus der amerikanischen Vanity Fair gehört noch verlinkt. Es ist ist das Porträt des Oberbefehlshaber der größen ausländischen Streitmacht im Irak. Und nein, es handelt sich nicht um die Briten. Es handelt sich um die private Söldnerfirma Aegis Defence Services, geleitet vom ehemaligen britischen Soldaten Tim Spicer.