Viele Verleger mögen Google nicht. Und sie geben nicht zu, wie sehr ihnen die Suchmaschine bisher zu billigem Content verholfen hat.
Seit Rupert Murdochs Ankündigung, in seinem kleinen Krieg gegen Google die (technisch recht einfach zu bewerkstelligende) Konsequenz zu ziehen, den Content seines Medienkonglomerats vielleicht nicht mehr von der Suchmaschine indexieren zu lassen, ist reichlich Bewegung in die Diskussion um Paid Content, Google und Medienproduktion im Web-Zeitalter gekommen.
Immerhin geht es um viel Geld. Oder anders gesagt: Um Geld, das nicht mehr den Verlegern in die Taschen gespült wird. Dieser kommerzielle Nachteil ist vor allem ein gefühlter, weil er sich in Zahlen schlecht nachzeichnen lässt. Ja, Google macht mit Werbung mehr Umsätze als jeder andere im Netz. Ja, die Werbeumsätze in den Verlagen sind en gros im Sinken. Und ja, Online macht nicht einmal annähernd wett, was bei Printwerbung und anderswo verloren geht. Aber nein, es ist tatsächlich blöd, allein Google dafür verantwortlich zu machen – vor allem, weil die meisten, die dagegen wettern, eh meistens nicht die Suchmaschine, sondern „das Netz“ meinen.
Kurz nach Murdochs Fernsehansprache jedenfalls (wir hatten sie vor einer Woche auch hier eingebunden) veröffentlichte Mike Butcher auf Techcunch eine interessante Theorie. Ihm war zu Ohren gekommen, dass sich namhafte europäische Verleger mit Vetretern von Microsoft getroffen haben sollen, um über eine Zusammenarbeit mit Bing zu sprechen. Bing ist eine Suchmaschine wie Google. Sie soll Google Marktanteile wegnehmen, weil Microsoft erkannt hat, dass es schön und gut ist, bei Betriebssystemen den Markt zu dominieren, es aber noch schöner wäre, auch im Netz mitzuspielen, wohin sich die Anwendungen unseres täglichen Lebens mehr und mehr verlagern.
Darum also Bing, die Suchmaschine von Microsoft. Und darum also ein Treffen mit Verlegern, die angeblich gegen bares Geld, also Beteiligung an den Werbeumsätzen (dazu Michael Arrington auf Techcrunch) ihre Inhalte exklusiv Bing zum Indexieren zur Verfügung stellen möchten.
Nicht, dass Bing eine gute Suchmaschine wäre, aber sie ist kleiner, hat weniger Marktmacht – und vielleicht, so der Gedanke der Verleger, lässt sie mehr mit sich reden als diese Krake Google, die tut was sie will, und das meistens sehr effizient.
Um die Chronologie der Ereignisse noch weiter aufzurollen: Es war Jeff Jarvis, der der diesen Vorgängen die Aura des Geheimagenten-Krimis nahm, indem er ein paar Zahlen in die Diskussion warf, eingeleitet von folgendem Satz:
There’s been a swine flu of stupidity spreading about the Murdoch meme of blocking Google from indexing a site’s content.
Jarvis verwies auf eine Studie der Hamburger The Reach Group, die mehrere Millionen Suchanfragen auf Google analysiert hat. Mit folgendem Ergebnis: Die Präsenz von Verlagen in Googles Suchergebnissen ist deutlich geringer als bisher vermutet. Aber was heißt geringer: Bloß fünf von hundert Abfrageergebnissen verweisen zu Seiten auf Domains von deutschen Verlagen – dass es sich dabei oft gar nicht um Content im Sinne von Murdoch handelt, ist da noch gar nicht eingerechnet. Wikipedia-Seiten hingegen passiert dieses Schicksal fast drei Mal so oft. Der im Netzökonomen auf FAZ.de geäußerte Befund, dass die Verleger durch die Gespräche mit Bing nun Google gehörig unter Druck setzen könnten, bekommt so eine absurde Dimension. Ein Aufstand von fünf Prozent bleibt eben nur ein Aufstand von fünf Prozent. Noch dazu, wo Google über die geplante Indexierung von Social Networks wie twitter ohnehin wieder an die Links gerät, die die Welt bewegen.
Ist das also alles bloß ein absurder Streit ungleicher Gegner? Nein. Es geht um Geld. Viel Geld sogar, das innerhalb klassischer Verlagsstrukturen viele Jahrzehnte lang erwirtschaftet worden ist. Verlage hatten als Konkurrenten bloß andere Verlage. Heute ist das anders: Verlage haben nicht nur beim Content unzählige Konkurrenten, die um kein Geld das Web vollschreiben, sondern sehen sich auch der exklusiven Kanäle zur Verteilung ihrer Inhalte beraubt, die ihnen in der Vergangenheit ein recht gutes Leben ermöglich haben.
Das ist sicher bitter für viele der Beteiligten. Es bedeutet Verlust von Job, Status und sozialem Kapital. Es bedroht die Existenz.
Trotzdem erwarte ich in der Diskussion um die vorgeblich hochwertigen Inhalte, die Verlagshäuser produzieren, ehe Google sie ihnen stiehlt und zu Geld macht (Nebenbei bemerkt: Ich habe im gerne verteufelten Google News noch nie ein Inserat entdeckt. Ist das ein Einzelschicksal?) endlich einmal ein bisschen Wahrheit: Das Gros dieser Inhalte bezieht seine hochwertige Aura nämlich bloß aus dem Umstand, dass sie aus einem Verlagshaus stammen und dort vielleicht sogar noch auf Papier gedruckt werden. Dass sie in Wahrheit aus vielen nicht näher genannten – und von Google indexierten – Quellen im Web zusammen geklaut worden sind, wird dabei geflissentlich verschwiegen. „Naja, ganz so dramatisch ist es aber doch nicht“, bekomme ich dann von Kollegen gerne zu hören. Hm, schön für euch. Ich erlebe leider was anderes. Und das schon seit Jahren.