Alle reden über die Band Hot Chip. Aber warum finden viele die Brille ihres Sängers spannender als ihre Musik?
Ja, die Brille ist hier tatsächlich ein großes Thema. Und wer das nicht glaubt, möge einmal „Hot Chip“ und „Brille“ googeln, um eines besseren belehrt werden. Die Brillen, so lernen wir, dienen hier als Referenz für den Tatbestand, dass diese Band vor ein paar Jahren wahnsinnig cool wurde und dabei alles tat, um nicht als cool zu gelten. Falsche Kleidung, falsche Schuhe, falsche Brillen. Und weil sie hemmunglose elektronische Popmusik machen, die sich nicht recht einordnen lässt, Kitsch mögen und die Leute trotzdem zum Tanzen bringen, wird immer wieder auf ihre Brillen verwiesen, insbesondere die des Sängers Alexis Taylor, um ihn dann als Nerd zu feiern. Mit diesen Brillen, heißt es, kriegst du vielleicht keine Freundin, aber du hast gute Ideen.
Nun halte ich generell nicht viel davon, Menschen über ihre Brille zu definieren. Ich zum Beispiel bekam meine erste Brille gleich nach der Volksschule. Meine Eltern hatten mir zur Auswahl zwei Stück im Franz Fuchs-Design vorgelegt, es war also eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera, und ich habe das hässliche Ding natürlich trotzdem überlebt. Wobei schon gesagt werden muss: Es war nicht immer lustig, mit so einer Brille zu überleben. Aber sie hatte trotzdem nichts mit meiner Persönlichkeit zu tun. Das hat sich bis heute nicht geändert, denn seit ein paar Monaten trage ich zum Beispiel eine Brille, die nahelegt, dass ich tagein, tagaus am Wiener Naschmarkt sitze und dort kreativ bin. Ist aber nicht so, denn ich schreibe in Wahrheit daheim Blogs für kein Geld der Welt und verliere mich in einem Exkurs, den ich hiermit offiziell wieder beende.
Hot Chip und ihr neues Album „One Life Stand“ also. Wir wollen darüber reden, ohne das Wort Nerd zu oft in den Mund zu nehmen, denn das kommt schon in anderen Duetungsversuchen nach den Brillen. Versuchen wir es so: Es sind richtige Kracher drauf. „I Feel Better“ zum Beispiel hat das Zeug zur Hymne, trotz Autotune-Käse, aber der klebt dafür so, dass ich schon jetzt fürchte, dass mir die Band auf die Nerven gehen könnte. Oder „Slush“ mit Doo-Wop-Chören, die Essig in süßen Wein verwandeln können. Oder die Single „One Life Stand“, die eh jeder hören kann, der den unten eingebetteten Videoclip startet.
Lauter feine Songs sind das, die es nicht verdienen, dass man ihre Schöpfer als bloße Nerds belächelt. Noch dazu, wo der Nerd seit ein paar Monaten ohnehin als Zukunftsmodell gilt. Nur mit einem ist zu rechnen: Dass man diesem Album recht schnell überdrüssig wird, weil es gar so modern und auf der Höhe seiner Zeit klingt.
Hier können Sie „One Life Stand“ bei Amazon downloaden.
Und hier noch das versprochene Video:
Hot Chip – One Life Stand (MySpace Exclusive)
Hot Chip | MySpace Music Videos