Die einen wollen Geld verdienen. Die anderen wollen die Macht. Und Recht haben will sowieso jeder.
Michael Wolff ist ein alter Hase beim Geschäftemachen im Internet. Schon Mitte der 90er-Jahre hat er sich mit „Your Personal Network“ an einer Art Inhaltsverzeichnis fürs Web versucht und damit viel Geld versenkt – eine Erfahrung, die er später im Buch „Burn Rate“ nacherzählte. Untertitel: „How I Survived the Gold Rush on the Internet“. Heute ist Wolff gut bezahlter Journalist und hat 2007 Newser gegründet, einen schnittigen Nachrichtenaggregator. Er ist seine Vision von der Zukunft des News-Geschäfts. Sie sieht modern (im Sinne von neuartig) aus. Ob sie auch kommerziell erfolgreich ist, weiß ich nicht. Ist ja auch erst seit 2007 online.
Wolff jedenfalls hat nun für Vanity Fair über die Zukunft des Web nachgedacht. Sein Text ist toll, weil er versucht ein bisschen Ordnung ins Wirrwarr der Ideen und Ideologien bringen, die uns die Zukunft unseres Medienkonsums und Lebens im Web ausmalen – und einander gegenseitig erklären, wie falsch der andere gerade liegt.
Dieser Zustand macht Wolff nervös. Und weil das auch mich manchmal nervös macht, hier der Ordnung halber seine Zusammenfassung, die einem hilft, wieder ein bisschen klarer nachzudenken.
Im Ring stehen einander also gegenüber:
- Die Anhänger der Plattform-Ideologie, also etwa die Jünger von Facebook. Eine von Millionen genutzte Plattform, so Wolff, ist der Schlüssel auf dem Weg zur Supermacht. Sie stellt den Rahmen für unsere Kommunikationshandlungen. Sollte Facebook heuer tatsächlich an die Börse gehen, erwartet Wolff ein Duell der Giganten, Google gegen Facebook. Der Herr über den Index von Milliarden Webpages gegen den Herren über unsere täglichen sozialen Handlungen. Besonders spannend dabei: Im Segment des Social Networking sieht die Innovationsmaschine Google erstaunlich alt aus (Ich weiß, soeben wurde Google Buzz präsentiert), weil das Live-Moment als nächstes großes Ding im Web gilt und die Suchmaschine erst jetzt beginnt, diesen Trend in seinen Suchergebnissen zu berücksichtigen.
- Die digitalen Behavioristen, also Leute, die Clay Shirky oder Jeff Jarvis verehren. Sie predigen eine Ordnung, die vom Kollektiv zusammengehalten wird. Sie gehen davon aus, dass alte Medien mit ihrer Trennung der Produzenten und Konsumenten von Inhalten ein Irrtum der Geschichte waren, längst überholt von der Cloud der Amateure, die Tag für Tag das Web mit ihren Erkenntnissen vollschreiben. Das ergibt dann einen Haufen Mist, aus dem sich die relevanten Themen wie von Zauberhand selbt erheben, weil das Kollektiv auf Diensten wie Twitter Links tauscht, darüber spricht und so die Spreu vom Weizen trennt. Websites sind für die Behavioristen von vorgestern. Und Medien sind keine Produkte mehr, sondern ein Zustand, der sich permanent verändert.
- Die Anhänger der Maschinen, also Dienste wie Demand Media. Das Unternehmen, das ich hier stellvertretend nenne, wertet permanent die populärsten Suchanfragen aus, generiert automatisch Content-Häppchen dazu, die dann von den Suchmaschinen hoch gereiht werden und macht sich durch den dadurch entstandenen Traffic beim Inserenten attraktiv. Nach dem Prinzip: Gib dem Kollektiv das, was es will und profitiere davon.
- Die alten Verlags-Schlachtrosse mit ihrem Guter-Content-kostet-Geld-Paradigma. Damit meint Wolff Leute wie Rupert Murdoch (den er übrigens in einem Buch porträtiert hat), der die Angebote seiner Unternehmen vor Googles Zugriffen schützen möchte, weil er sich bestohlen fühlt. Auch ihnen räumt er Chancen im großen Showdown ein. Sogar einen möglichen Deal der Verleger mit Google schließt er nicht aus, um Urheberrechts-Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen. Seine Theorie: Google möchte vorsorglich ausschließen, von einem Kartellverfahren in Bedrängnis gebracht zu werden. *UPDATE* Mashable meldet, dass Google eine Vereinbarung mit der Nachrichtenagentur AP getroffen hat, umderen Content weiterhin auf Google News zu aggregieren. Details dazu sind nicht bekannt.
- Die Bau-dir-deine-eigene-Plattform-Jünger, also Leute wie Steve Jobs von Apple mit seinen iPhones und iPads. Das Internet dient hier als Basis eines geschlossenen Systems, auf dem sich vortrefflich Geschäfte machen lassen.
Bleibt die Frage, welche Erkenntnisse aus dieser Kategorisierung zu ziehen wäre – vor allem für einen, der zwar gerne die Thesen von Shirky und Jarvis predigt, aber dann trotzdem davon träumt für seine Texte bezahlt zu werden. Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass tatsächlich alles anders wird. Und dass mir tatsächlich nicht alles gefallen wird. Und dass das Medienmachen tatsächlich nie so spannend war wie es heute ist.