Joanna Newsom: die Bühne, die Harfe und du. Foto: flickr.com/mi_mi, Lizenz: cc by 2.0

Wenn alle sagen, dass diese Frau so tolle Musik macht, gehört sie zumindest einmal angehört. Trotz der Harfe, auf der sie spielt.

Die ist so super, sagen alle, seit 2004 ihr erstes und 2006 ihr besonders gelobtes Album „Ys“ erschienen ist. Sie ist die sensibelste Pop-Künstlerin seit Erfindung der Tränen, sagen sie, seit bekannt ist, dass ihr neues Werk „Have One On Me“ ansteht, das heute offiziell erschienen ist. Besser, habe ich hier gelesen, wird es heuer nimmer („Mehr Musikalität und Gefühl wird dieses Jahr kaum ein anderer Künstler bieten können“).

Und weil wir erst Ende Februar haben, ist es also höchste Zeit, sich das Theater um Joanna Newsom einmal zu geben. Das letzte Mal cool war ich sowieso vor vielen Jahren, da sind zwei Stunden Harfe, Violinen und Klavier wohl das genau das richtige, um mir das zu bestätigen.

Erster Eindruck (ich habe mir zugegebenermaßen Pausen gegönnt, weil ich nicht zwei Stunden ohne Unterbrechung U-Bahn fahre und obendrein Tagwerk leisten muss, das mit Kommunikation verbunden ist): Da ist was dran an der ganzen Aufregung. Die „Ich bin Kunst“-Attitüde, die dieser 28-Jährigen aus den USA anhaftet, war recht schnell aus meinen Ohren geputzt. Der Mief des Mittelalterfestival auf Burg Rapunzelstein verflüchtigte sich auch recht schnell. Und dann gegen Ende keimte tatsächlich ein Gefühl der Freude: Die Frau ist toll, wirklich und wahrhaftig

Schon allein deshalb, weil an diesem Mammutwerk eigentlich gar nichts geht. Die Überlängen, die Manierismen, der Kitsch, die Instrumentierung, die nervöse Kate Bush-Stimme. Wer das bloß erzählt bekommt, kriegt es sofort mit der Angst zu tun. Doch wer es hört, freut sich schon allein deshalb, weil sich das jemand traut.

So weit die Überraschung. Die Musik selbst kann ich auch nach dem zweiten Hören (während großzügig angelegter Buchhaltungs- und Steuer-Prokrastination vorgestern abends) noch nicht recht in Worte fassen. Newsom schafft es jedenfalls, dass immer dann, wenn ihre Folksongs in gefährliche Nähe zur Begleitmusik einer Druiden-Sitzung geraten, wie aus dem Nichts eine zwingende Melodie auftaucht. Die klingt dann zwar wie ganz „Have One On Me“ noch immer wie nicht von dieser Welt, aber sie erzählt von einer anderen. Von einem einsamen Garten Eden, in dem Newsom sitzt und der Liebe willen musiziert. Von einem Folk-Begriff, der über den der klassischen Americana-Künstler mit ihrem Gitarre-Bass-Schlagzeug-Korsett weit hinaus geht. Von einem doch eher eigenartigen Hippie-Mädchen, das beim Minimal Music-Veteranen Terry Riley und beim Brachial-Gitarristen Fred Frith gleichermaßen studiert hat.

Irgendwo (ich konnte die Quelle nicht mehr aufstöbern und entschuldige mich hiermit gleich für den fehlenden Link) habe ich gelesen, dass Newsom mit ihrer Musik vor allem eines will: Der Harfe die „Schmalzscheiße“ austreiben, die ihr gemeinhin anhängt. Das ist ihr auf jeden Fall gelungen. Und dass ich mittlerweile ein paar Stunden von Harfe getragener Musik hinter mir habe ebenfalls. Zumindest Letzteres könnte heuer tatsächlich nicht mehr zu überbieten sein.