Die Suchmaschine ist mit ihren Servern nach Hogkong umgezogen. Wegen der Zensur, heißt es. Ist es tatsächlich so einfach?
Eskaliert ist der Konflikt Ende des vergangenen Jahres. Damals waren Googles Dienste in China massiven Hacker-Angriffen aus dem Land ausgesetzt, die nach Angaben des Suchmaschinenkonzerns bis heute andauern. Nun hat das Unternehmen die Konsequenz daraus gezogen und ist auf Server in Hongkong übersiedelt. Offizielle Begründung: Man sei nicht mehr gewillt, seine Dienste wie bisher von der chinesischen Zensur einschränken zu lassen. Die Bedingungen für Google in der Volksrepublik seien endgültig untragbar. (Hier ein aktuelles Statement aus dem offiziellen Google-Blog)
Diese Aufgabe der Selbstzensur (Googles Engagement in China war von Anfang an umstritten) entfacht nun einen Kulturkampf mit China. Schon bevor Google den Traffic seiner chinesischen Server nach Hongkong umleitete, schossen sich Chinas staatliche Medien auf den neuen Gegner ein und gemahnten an den Opiumkrieg von 1842, als die East India Company im Schulterschluss mit Großbritannien militärisch die Öffnung wichtiger chinesischer Häfen und die Duldung des Opiumhandels erzwang. Das bedeutete damals das Ende der Souveränität Chinas und die Erinnerung an diese Schmach aus dem Kolonialzeitalter soll zeigen, wie dreist China Googles Schritt findet.
Trotzdem bleibt eine große Frage: Ist Googles Umzug tatsächlich ein Bekenntnis gegen Zensur und für ein freies Internet – oder steckt da Kalkül dahinter, um dem dieser Tage bereits etwas angekratzen „Don’t be evil“-Image wieder mehr Glanz zu verschaffen. Eine Umschau durch diverse Meinungen in der Online-Welt:
Der Guardian hat ein Interview mit Sergey Brin von Google. Darin fordert dieser die Regierung Obama auf, entschlossener gegen Internetzensur aufzutreten.
„Ich hoffe, dass sie dieser Angelegenheit hohe Priorität einräumt. Das Thema Menschenrechte und das Thema Handel hängen miteinander zusammen. […] Dienstleistungen und Informationen sind unsere erfolgreichsten Exportgüter. Wenn uns China unsere Wettbewerbsfähigkeit raubt, errichtet es eine Handelsbarriere.“
James Fallows hat für theatlantic.com mit Googles Chefanwalt David Drummond telefoniert. Der erklärte ihm den Zusammenhang zwischen den Hacker-Angriffen und dem Umzug nach China:
„Die Hackerangriffe hatten eine politische Komponente, die sehr ungewöhnlich war. Und das schmeckte uns nicht. Wir hatten zunehmend das Gefühl, dass sie Teil eines omnipräsenten Systems der Zensur waren. Egal, ob es nun die Kontrolle von Suchergebnissen betraf oder das Unterdrücken der Meinungen von Oppositionellen. Es war alles Teil des gleichen repressiven Systems. Und wir waren ein Teil davon geworden. So kamen wir zum Schluss, dass unsere ursprünglichen Gründe, nach China zu gehen, untergraben worden sind. Wir dachten, wir könnten das Land mit unseren Services öffnen. Aber in Wahrheit ist es bloß schlimmer geworden.“
Jeff Jarvis, Autor des Buches „What Would Google Do?“ erweist sich in diesem auch als MP3-File erhältlichen Interview mit dem Guradian einmal mehr als Freund simpler Botschaften:
„Hier geht es auch darum, dass Google das Internet verteidigt – und alle unsere Freiheitsrechte, die damit zusammen hängen.“
Kay Oberbeck, Unternehmenssprecher für die Google-Standorte Deutschland, Österreich und Schweiz sagt im Gespräch mit ZEIT ONLINE:
„Für uns ist das Ganze eine Frage der Zensur. Wir glauben, jetzt eine Lösung gefunden zu haben, mit der wir rechtlich legal eine Suchmaschine anbieten können, deren Ergebnisse für chinesische Nutzer nicht mehr zensiert werden. Genau das machen wir in Hongkong. […] Unsere Intention ist es, auf Basis der jeweiligen Gesetze einen freien Zugang zu Informationen bereit zu stellen. Genau das tun wir jetzt. Uns ist natürlich klar, dass die chinesische Regierung mit der Firewall über ein Instrument verfügt, mit dem sie diese Lösung blockieren kann. Nur hoffen wir natürlich, dass die Regierung unsere Lösung akzeptiert.“
Danny Sullivan hält im Blog Search Engine Land nicht viel von Google vorgeblich hehren Motiven:
„Als Google nach China ging, wollten sie dort Gewinne machen. Dafür wollten sie vor Ort sein. Sie wollten lokale Anzeigen-Verkäufer. Sie wollten lokale Infrastruktur. Sie wollten Mitarbeiter vor Ort. All das war nur möglich, indem sich das Unternehmen mit der Zensur arrangierte.“ Soll heißen: Mit jener Zensur, die sie heute anprangert.
Und Thomas Schmid, Herausgeber der WELT-Gruppe, bloggt sich die Wut von der Seele:
„Liebevoll pflegt Google sein David-Image – und da kommt dem Unternehmen ein Goliath wie China gerade recht. Nur […] wenn sich Google mit China, wenn sich China mit Google anlegt, dann ist das inzwischen Goliath gegen Goliath. Das Unternehmen, das den Geist der Freiheit verbreitet, hat sich zu einem äußerst gefräßigen Wesen entwickelt, das offensichtlich ein Monopol auf die Wissens-, Nachrichten- und Informationswelt anstrebt. Mit den Autorenrechten geht Google kaum weniger ignorant um als China mit dem Informationsrecht. Die kommenden Kämpfe um die Meinungsfreiheit werden ganz neue Frontverläufe haben.“