Auch ein Hardcore-Sänger braucht seinen Kitsch. Und daher geht jetzt mit Mike Patton für uns die Sonne auf.
Ich gebe es am besten gleich zu: In Wahrheit bin ich wahrscheinlich zu befangen, um halbwegs reflektiert über Musik zu schreiben, an der Mike Patton in irgendeiner Weise beteiligt ist. Das hat viele Gründe: Er begleitet mich seit recht frühen Teenager-Tagen. Als er bei Faith No More sang, war deren Umgang mit Rockmusik ein wichtiger Schritt in Richtung neuer Stile. Als er dann das Label Ipecac gründete, fand sich eine sichere Heimstatt für mich, wenn ich abseitige und kompromisslose Klänge suchte. Als er 2001 mit Fantômas „Director’s Cut“ veröffentlichte, das wohl beste Filmmusik-Album der Welt, war ich endgültig davon überzeugt, es mit einem Genie tun zu haben. Und als ich ihm in diversen Interviews gegenüber saß, lernte ich einen klugen, witzigen Gesprächspartner kennen, der immer genau weiß, was er tut. Das beeindruckt, vor allem, wenn man selbst oft nicht genau weiß, warum man eigentlich manches tut.
Ich bin also auch befangen, wenn ich über Mike Pattons demnächst erscheindes Album „Mondo Cane“ berichte. Es handelt von Italien. Oder besser: Vom italienischen Parallelluniversum des Qualitäts-Schlagers der Sixties, von Melodien, die einem die Ohren verkleben, also im weitesten Sinn von der musikalischen Vorhut dessen, was sich heute in den sinnentleerten Fernsehshows eines verrotteten und mafiösen Landes manifestiert: der Realitätsflucht und der hemmungslosen Gier nach großen Gefühlen, egal wie gefälscht sie auch sind.
Mike Patton ist mit einer Italienierin verheiratet und hat ein paar Jahre in Bologna gelebt. Dort hat er, der ohnehin schon Ennio Morricone abgöttisch verehrt, seine Liebe zu alten Schlagern entdeckt, zu den Liedern von Fred Buscaglione etwa, einem ausgewiesenen Spezialisten für leichte Kost auf höchstem Niveau. Elf dieser Songs hat er nun mit Band und 40-köpfigem Orchester eingespielt. Patton sagt: „Wer Orchestermusik mag und ein Herz in seiner Brust schlagen hat, wird diese Platte lieben.
Und Patton hat recht, weil er wieder einmal alles richtig macht. Er verzichtet völlig auf Ironie, sondern arbeitet das Material mit der Präzision des Historikers auf. Egal, ob beim Eröffnungslied „Il Cielo IN Una Stanza“ (das vor allem in der Version von Mina berühmt wurde, hier das Video dazu) oder bei Morricones „Deep Down“ (hier im Originalzusammenhang zu hören, Mario Bavas Comic-Verflimung „Diabolik“ aus dem Jahr 1968) – Patton bleibt immer so cheesy, wie es einem grinsenden Schmalzfrisur-Träger zusteht. Bloß auf einem Song gönnt er sich ein bisschen Geschrei, er heißt „Urlo Negro“ und stammt von einer Beat-Truppe namens The Blackmen – und da ist Subversion natürlich angebracht.
Aber sehen wir uns die Sache lieber einfach an, denn es gibt das gesamte Programm des Albums als Liveclips auf Youtube. Hier nur die zwei oben erwähnten Songs, der Rest ist hier zu finden.
Wie gesagt: In wessen Brust ein intaktes Herz schlägt, der muss diese Musik einfach lieben. Und dass ich befangen bin, habe ich ohnehin schon erwähnt.