Es ist tatsächlich so, wie ein Kollege im Selbstdarstellungsnetzwerk verkündete: Pete Dohertys neue Platte „Grace/Wastelands“ (für Fetischisten: Es erscheint bei EMI) hat große Klasse. Das ist eine kleine Sensation, denn wenn in der Vergangenheit Musik erschien, die mit seiner Person in Verbindung gebracht werden konnte, gab es immer viel zu entschuldigen.
Zum Beispiel, dass er eine von Drogen zerfressene Weichbirne hat, die dafür sorgt, dass sein großes Talent zum Popsong immer nur in ein, zwei Perlen aufblitzt, die sich wackere Hörer aus kniehohem Saumist hervor wühlen müssen. Oder dass er in seine Karriere als Boulevardtrottel an der Seite des überbezahlten Models Kate Moss nur hineingeschlittert ist und die ständige Medienbeobachtung schon eine rechte Bürde ist für ein Sensibelchen wie ihn … so ein Blödsinn: Der Kerl ist Brite und gebildet. Der kennt das Spiel, auf das er sich da eingelassen hat, seit frühester Kindheit.
Aber egal, jetzt ist Pete Dohertys Soloalbum erschienen, zwölf Songs sind drauf, und wer sich in den vergangenen Jahren die Mühe machte, Dohertys Schaffen auch in Form unausgegorener Demos und wackeliger Youtube-Videos zu verfolgen, wird einige davon wohl schon kennen. Kate Moss singt zum Glück ebenso wenig mit wie sie Thema von Dohertys Texten ist, und mit den Herren Stephen Street als Produzent (in den 80ern für die Smiths und Morrissey tätig, in den 90ern für Blur) und Graham Coxon (wieder Blur, oder doch nicht, das ändert sich ja ständig …) an der Gitarre hat er endlich Partner gefunden, die seinen Ideen einen Rahmen geben, der sie ein paar Minuten lang zusammenhält.
So entstanden dann Lieder wie die charmante Single „Last Of The English Roses“ oder das melancholische „1939 Returning“ vom Engländer, der hinter den feindlichen Linien in Deutschland gefangen wird und der Pensionistin, die im Heim in ihr Fernsehprogramm starrt – ein wirklich großes Stück Songwriting. Ein paar böse Menschen wollen zwar immer noch nicht wahrhaben, dass der früh gealterte Doherty noch mehr als einen Funken Talent in sich trägt, und attestieren „Grace/Wastelands“ seine Längen, aber die sind wohl schon hoffnungslos an den Zynismus verloren.
Das ist zwar auch mir ein nicht gänzlich unbekannter Zugang, aber wer so unmittelbar seinem Blues frönt wie Doherty auf dieser Platte, erweicht jedes Herz. Und das Schöne daran: Man steht mit so einer Meinung nicht einmal gänzlich alleine da, sondern kann dabei auch auf die geschulten Ohren von Alex Petridis im Guardian oder von Johannes Waechter in seinem Musikblog verweisen.
Die Fotos zu diesem Artikel sind übrigens Screenshots aus dem Video zu „Last Of The English Rose“. Das gibt’s auch in voller Pracht …
… und hier singt uns Pete Doherty das Lied noch einmal in einer Talkshow vor …
… und hier erzählt er ein paar prinzipielle Dinge zu „Grace/Wastelands“.