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Die einen halten die Piratenpartei für eine zeitgeistige Spaßbewegung. Die andere für eine Revolution der Tagespolitik. In Österreich traten sie zur Europawahl gar nicht an. Ist dieses Land gar so anders? Nein, sagt Piraten-Vorstand Harald Haas.

Einer unserer Blogger stellte kürzlich via twitter die folgende Frage an den Orkus: „Sind die Piraten die neuen Grünen?“ Guter Diskussionsvorschlag, denn bei den vergangenen Europawahlen errang die schwedische Piratpartiet immerhin 7, 4 Prozent der Stimmen – und auch ihr deutsches Pendant kam auf 0,9 Prozent. Die Piraten haben mit ihren Forderungen für ein völlig neues Urheberrecht und umfassende Bürgerrechte in einer vernetzten Welt einen Nerv getroffen, der durch das absurde Pirate Bay-Urteil wohl noch mehr Wähler an ihre Seite zog. Vor allem: Die Piraten treffen vor allem junge Menschen und viele davon sollten eigentlich jene Zukunftsängstlichen sein, die in ihrer Not die Rechtsparteien wählen, weil ihnen die krank geschrumpften Großen von früher keine Heimat mehr bieten können. Sie wollten aber nicht rechts wählen, sondern nur protestieren und zeigen, dass auch ihr Leben als Digital Natives eine politische Entsprechung braucht.
Auch in Österreich gibt es eine Piratenpartei. Bei den vergangenen Nationalratswahlen 2006 und 2008 erreichte sie nicht die nötigen 2600 Unterstützungserklärungen, um antreten zu können. Auf die Europawahl verzichteten sie gleich ganz. Doch das schwedische Ergebnis gibt auch ihnen Hoffnung. Und Harald Haas vom Parteivorstand war so freundlich, ein paar prinzipielle Anliegen und Perspektiven der Piraten in Österreich zu erklären.

ZiB21: Wofür steht die Piratenpartei in Österreich?

Harald Haas: Konkret geht es uns um Themen wie Privatsphäre und Datenschutz, denn momentan wird von der Politik vermittelt, dass hinter dem Wunsch nach Privatsphäre auch kriminelle Absichten stecken. Dementsprechend werden immer mehr Überwachungsmaßnahmen eingeführt und dabei wird die richterliche Kontrolle zusehends ausgeschalten. Die Polizei kann sich also immer mehr erlauben, ohne dass es Konsequenzen hat. Ebenso fordern wir ein reformiertes Patentrecht, denn momentan patentieren insbesondere Großunternehmen alles, was ihnen unter die Finger kommt, sichern so ihre Stellung und lassen Klein- und Mittelbetrieben keine Chance ernsthafte Konkurrenten zu werden. Es wird auch zu viel Triviales patentiert, etwa die Schaukel und nicht zuletzt lebensrettende Medikamente. Das ist ethisch eigentlich nicht vereinbar. Zu guter Letzt ist auch Bildung ein Thema, insbesondere Wissen frei zur Verfügung zu stellen – also zum Beispiel Lehrunterlagen über das Internet anzubieten. Oder freie Software zu verwendeun, um das Bildungsbudget zu entlasten.

Die schwedische Piratenpartei hat bei der Europawahl in Schweden nach derzeitigem Stand gut 7 Prozent der Stimmen errungen. Kann das auf Ihre Arbeit in Österreich irgendeine Auswirkung haben?

Natürlich wirkt sich der Sieg der Schweden und das gute Ergebnis der Deutschen auf die gesamte Piratenbewegung sehr positiv aus. Der Erfolg dieser beiden Parteien führt sowohl zu einer erhöhten Aktivität wie auch zu Mitgliederzuwachs in allen anderen europäischen Piratenparteien. Auch bei uns blieb dieses Ereignis nicht folgenlos und ermöglichte unter anderem Projekte wie www.internetzensur.at.

Vor dem Pirate Bay-Urteil lagen die Piratenpartei in den Umfragen in Schweden bei 4 Prozent. Jetzt ist das Ergebnis deutlich höher und die meisten Kommentatoren bringen die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung. Wie schätzen Sie das ein?

Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass der Piratebay-Prozess seinen Teil zum rasanten Aufstieg beigetragen hat. Auf der anderen Seite sollte man nicht übersehen, dass die Piratpartiet in den vergangenen Monaten auch so einen konstanten Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnte. Die Thematik, die von den Piratenparteien weltweit behandelt wird, hat im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung erlangt. Daher sorgen Ereignisse wie das Pirate Bay-Urteil inzwischen auch für mehr Aufsehen.

Viele junge Menschen haben die Piratenpartei gewählt. Woran liegt das?

Besonders die Generation, die mit dem Computer und Internet aufgewachsen ist, hat einen anderen Zugang zur Technologie als jene, die erst im Laufe der Zeit dazu gestoßen ist. Für viele Menschen der jüngeren Generation ist die Technologie ein wichtiger Bestandteil im Leben und der Verzicht darauf daher undenkbar. Dass dieser Thema von der Piratenpartei behandelt wird, ist einer der Gründe für diese Generation, den Piraten ihre Stimme zu geben. Den meisten älteren Menschen fehlt der Bezug zu diesen Medien und damit das nötige Verständnis.

PP-Vorsitzender Christian Engström sagt, dass das Ergebnis vor allem eines zeigt: „einen Generationenkonflikt, zwischen denen, die sich das Internet aneignen mussten, und denen die damit aufgewachsen sind.“ Tritt dieser Generationenkonflikt auch in Österreich auf? Und woran ist er am ehesten zu erkennen?

In Österreich ist der Konflikt sogar noch stärker zu spüren, da die Einbindung der IT in den Alltag nicht so weit fortgeschritten ist wie in Schweden. Besonders gut erkennbar ist er an der weitgehend ignoranten Haltung der Politik unseren Themen gegenüber, weil sie ja in erster Linie die Interessen der älteren Generationen vertritt.

Haben Sie eine Theorie, warum sich in Österreich kaum jemand für die Themen der Piratenpartei interessiert?

Die Grundeinstellung in Österreich ist eher konservativ und entsprechend dominieren die konservativen und rechtspopulistischen Parteien, die grundsätzlich eine gegenteilige Haltung zu unseren Themen aufweisen. Die Bewusstseinsbildung für diese Themen ist daher noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie für die meisten Menschen in Österreich genügend Bedeutung erlangen hätten können.

Was könnte die österreichische Piratenpartei besser als etwa die Grünen, die mit Eva Lichtenberger eine Abgeordnete in Brüssel sitzen haben, die ebenfalls eine Reform des Urheberrechts fordert und sich dabei inhaltlich nahe an den Anliegen der Piratenpartei befindet?

Die Grünen agieren zwar prinzipiell in unserem Sinne, lagern jedoch die Schwerpunkte anders. Und ihre Prioritäten liegen ohnehin ganz wo anders. Auch stimmen wir nicht immer mit den Grünen überein. Dies belegt auch der Umstand, dass die oberösterreichischen Grünen kürzlich einen Initiativantrag zu Internetsperren unterzeichnet und befürwortet haben.

Bürgerrechte im Netz sind zweifelsohne ein wichtiges Thema. Aber reicht es tatsächlich, nur eine so schmale Palette an Themen zu besetzen, um tatsächlich ernst zu nehmende Tagespolitik zu machen?

Grundsätzlich sind wir als Kernthemenpartei durchaus bereit, zu anderen Themen einen Standpunkt zu beziehen. Da die Piratenpartei basisdemokratisch agiert, steht es jedem Mitglied offen, eine neues Thema zur Diskussion zu bringen, das anschließend nach einer Abstimmung direkt ins Parteiprogramm aufgenommen werden kann. Abgesehen davon sollte nicht vergessen werden, dass die technologischen Veränderungen direkt in das alltägliche Leben eines jeden Menschen eingreifen – auch, wenn dies oft nur unbemerkt geschieht und deshalb fälschlicherweise nicht als politisch relevant angesehen wird.

Im Europa-Wahlkampf hat die schwedische Piratenpartei immer erklärt, sie wolle ausschließlich zu den sie direkt betreffenden Fragen wie Urheberrecht und Datenschutz Stellung beziehen. Wie legt die österreichische Piratenpartei ihre Strategie an?

Prinzipiell stimmen wir mit der Aussage der schwedischen Piratenpartei überein. Wir behalten uns jedoch vor, auch zu anderen Fragen Stellung zu beziehen, sofern wir geeignete und qualifizierte Experten stellen können.

www.piratenpartei.at