20 Uhr. Die Wahl ist vorbei. Jetzt wird analysiert. Foto: Screenshot | tvthek.orf.at

Sicher, ich könnte wahnsinnig betroffen sein über die Dummheit, die einen treiben muss, um seine Stimme an die FPÖ zu vergeuden. Aber gleichzeitig stellt sich die Frage, ob 27 Prozent mobilisierte Dummköpfe tatsächlich eine Überraschung sind. Gestern Nachmittag zum Beispiel war ich gleich ums Eck auf einem von der Bezirks-SPÖ ausgerichteten Fest für Kinder. Ein Art Fest also, um das ich ohne Kind einen großen Bogen gemacht hätte. Und eine Art Fest, um das ich seit gestern auch mit Kind einen großen Bogen machen werde, da die mobilisierten Dummköpfe dort die absolute Mehrheit stellten, ein Kasperl mit verdächtig bierschwangerer Stimme inklusive. Aber warum auch nicht, es war immerhin schon 15 Uhr, und der Mann hinter dem Kasperl (Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung) wäre nicht der einzige vor Ort gewesen, der Kinder nur besoffen erträgt.

Daher nein, ich bin nicht wahnsinnig überrascht über die im ersten Satz erwähnte Dummheit und auch nicht wahnsinnig betroffen: Eine FPÖ jenseits der 27 Prozent konnte die Stadt schon 1996 nicht erschüttern, und zur Niederlage der SPÖ sei gesagt, dass sie bei der Gemeinderatswahl noch immer in allen Bezirken die Mehrheit stellt.

Abgesehen davon habe ich mir das Ende der absoluten Mehrheit der SPÖ ohnehin gewünscht, damit die Stadt endlich einmal Luft fürs Experiment Rot-Grün bekommt. Wobei auch hier gesagt werden muss: Möglicherweise handelt es sich bei Rot-Grün bloß um einen feuchten Traum des Boboismus. Und wenn neben den Roten heute etwas abgewählt worden ist, dann der Boboismus als Modell für ganz Wien.

Schön wäre es zwar gewesen, wenn mehr Radwege und weniger Autos, mehr gute Ideen und weniger Dummheit auch in Form von mehr Stimmen ihre Bestätigung erhalten hätten. Doch die Überschätzung des Boboismus als politische Größe spiegelt sich auch im verdienten Desaster der ÖVP, die sich tatsächlich als Hipster-Truppe zu inszenieren versuchte. Das war nicht nur lächerlich, sondern vergrämte auch potenzielle Sympathisanten, die mit gut gekleideter Selbstironie genau so wenig anfangen konnten wie mit notgedrungener Geilheit.

Aber eigentlich wollte ich noch ein paar Worte zu Rot-Grün verlieren. Ich wünsche mir Rot-Grün, weil die Grünen in einer theoretischen Koalition durch ihre basisdemokratische Organisation gar keine andere Wahl haben, als ihrem Seniorpartner ununterbrochen auf die Nerven zu gehen. Und das wünsche ich der SPÖ: Dass ihr jemand mit Sachthemen so richtig auf die Nerven geht und nicht mit ungustiösem, rechtsextremem Gefasel. Dass sie jemand aus ihrer absolutistischen Bequemlichkeit erweckt. Dass sie dazu gedrängt wird, sich den Themen der Zeit zu stellen (zuvorderst: der Integrationsdebatte). Dass sie sich modernisiert. Und das alles natürlich vorausgesetzt, dass die SPÖ nicht den bequemen Weg geht und mit den Schwarzen koaliert.

Zugegeben, es ist eine ganze Menge, die ich mir von den Grünen erwarte. Aber immerhin habe ich sie gewählt, obwohl ich ihnen meine Zuneigung eigentlich schon vor mehr als einem Jahr entzogen habe.