Größtmögliche Wirkung mit größtmöglicher Qualität: Die hohe Kunst des Handwerks am Beispiel der britischen Sängerin Adele.
Nein, es ist wohl nicht die Platte des Jahres. Auch wenn oberflächliche Menschen wie ich dazu neigen, es sich mit solchen Etiketten einfach zu machen. Aber Adeles „21“ ist eine sehr gute Platte in einem noch sehr jungen Jahr. Und Adele aus England nährt damit obendrein auch noch den Verdacht auf eine frohe Botschaft, die sich seit den ausklingenden Nullerjahren aufdrängt: Erfolg im Pop lässt sich nicht mehr auf seine lange im Castingfernsehen verbreitete Botschaft reduzieren. Arbeite hart, sei diszipliniert und halte dein Maul, denn deine Berater wissen, was richtig für dich und deine Karriere ist.
Das war nicht nur eklig, sondern auch desillusionierend, weil es dem Pop seine subversive Kraft stahl. Er schien ein Gewerbe wie jedes andere zu sein, der Fleißigste setzt sich durch, das beste Geschäftsmodell gewinnt.
Sängerinnen wie Britney Spears schienen viele Jahre lang der lebende Beweis für diese Philosophie zu sein – ehe sich zumindest die Genannte dazu entschloss, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Und vor allem: Das Bild entsprach nicht ganz der Realität, denn in Wahrheit hatten wir in den vergangenen Jahren auch Damen wie Amy Winehouse oder Lady Gaga, nicht zu domestizieren, nicht am Fließband zu produzieren, sondern in ihrer Einzigartigkeit zutiefst überzeugend.
Nun ist Adele auf den ersten Blick mit keiner der beiden hier Genannten zu vergleichen. Sie heischt etwa in keinem Moment darum, besonders provozierend und authentisch zu sein. Aber sie tut, was sie tun muss: Mit 21 Jahren Lebensalter schnörkellosen Pop so zu produzieren, dass er sich sicher anständig verkaufen wird und ins Formatradio passt. Perfekten Mainstream hätte man vor ein paar Jahren noch genannt und sich mit Abscheu abgewandt.
Doch dann verschlösse man seine Ohren vor Adeles Fähigkeit, die Traditionen bleichgesichtigen Souls gekonnte ins Heute zu überführen. Der zweite Song „Rumour Has It“ zum Beispiel, das fast nur aus Beat, Klatschen einem sich stetig wiederholenden Chor besteht. Bei aller Erdung in den Sixties klingt er heutiger als die meisten Produktionen, die sich mit bloßer Modernität wichtig machen. Oder kristallklare Popsongs wie „Set Fire to the Rain“ – da stecken ein Talent zum Songwriting dahinter und ein Wille, es mit dem richtigen Handwerk zu verfeinern, die Adele erst einmal jemand nachmachen muss.
Und komme mir jetzt keiner mit Rick Rubin, dem fälschlicherweise die gesamte Produktion des Albums zugeschrieben wird. Bei gerade einmal vier Stücken war er dabei, insgesamt sechs Produzenten werden fürs Album genannt – dass das Ding nicht in seine Einzelteile zerfällt, sondern so wunderschön aus einem Stück klingt, rechne ich der Einfachheit halber der Künstlerin zu. Es mag vielleicht aufregendere Dinge geben als Musik von Adele. Nachhaltigere Wirkung wird in den kommenden Monaten aber selten jemand erzeugen. So weit die Prognose zum Wochenende. Danke fürs Zuhören.