Warum der Verkauf der Huffington Post an AOL richtungsweisend für die Zukunft des Journalismus sein könnte.
Arianna Huffingtons liberale Online-Zeitung Huffington Post geht also für 315 Millionen Dollar ans Internet-Urgestein AOL. Huffington ist 60, könnte sich zur Ruhe setzen, aber tritt trotzdem mit dem Deal einen neuen Job an: Als Herausgeberin aller Contentportale unter dem Dach von AOL. Auf den ersten Blick handelt es sich hier um eine Fusion von vielen, auf den zweiten lässt sich viel für ein mögliches Szenario für das Geschäftsmodell des Journalismus von morgen ablesen.
Jeff Jarvis, bekennend bilderstürmender Medien-Blogger, fasst es so zusammen:
Content alone isn’t enough for Aol. It has content. Lots. What HuffPo and Arianna bring is a new cultural understanding of media that is built around the value of curation, the power of peers, the link economy, passion as an asset, and celebrity as a currency.
Diese These ein bisschen weiter ausgerollt, hieße das:
AOL investiert hier in keinen Bilderrahmen und keine Technologie, sondern in einen funktionierenden Content-Stream, der für eine Marke steht.
AOL investiert hier nicht in schwarze Magie, in Algorithmen, in Content Farmen oder in Suchmaschinenoptimierung, sondern in eine sehr erfolgreiche Form des kuratierten Journalismus, der das Beste aus eigener Produktion mit dem Besten von anderswo kombiniert. Journalismus ist in der Huffington Post ein permanent arbeitender Durchlauferhitzer. Der Erfolg der Huffington Post schöpft nicht zuletzt daraus, dass News hier konsequent als Prozess verstanden werden. Einzig der Guardian fällt mir hier als weiteres Medium ein, das diesen Zugang für sich kultivieren konnte.
AOL investiert in die verlegerische Vision Huffingtons, die nie beim Bewahren des Status Quo verharrte, sondern neue Formen probierte. Diese neue Form ist ein Erfolg, beim Publikum und seit vergangenem Jahr auch in Geld – die 2005 gegründete Huffington Post verbuchte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr bei Umsätzen von 60 Millionen Dollar erstmals einen Gewinn.
Und AOL investiert in Content und die Identität, die ein Medium wie die Huffington Post bietet. Dass die Site nebenbei auch viele Pageviews abwirft, die sich gut mit denen der AOL-Blogportale wie Techcrunch, Engadget oder PopEater ergänzen – sicher auch ein Argument.
Nun wäre es selbstverständlich blauäugig, sich einfach nur darüber zu freuen, dass hier ein Konzern seine letzte Chance darin sieht, in Journalismus zu investieren – ein Geschäft, das im Netz schon viele als erfolglos abgeschrieben haben. Der Konzern erlaubt sich hier also eine riskante Wette mit ungewissem Ausgang.
Aber allein, dass jemand diese Wette eingeht, gibt Hoffnung. Das findet sogar David Carr, Medienkolumnist des HuffPost-Konkurrenten New York Times im folgenden Video. Wobei natürlich auch auf seinen Schlusssatz hingewiesen werden muss: „Es ist vielleicht kein großer Tag für uns alle, die mit Schreiben ihren Lebensunterhalt verdienen“, sagt er. Der letzte große Tag dieser Art ist allerdings so oder so lange her.
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