Die arabische Welt kann sich vielleicht verändern. Das Feindbild Islam bleibt den Rechtspopulisten trotzdem erhalten. Ihre Klientel interessiert sich nämlich nicht für Umstürze in anderen Ländern, sondern bloß fürs eigene Leiden an der Welt.
Ein interessantes Gedankenexperiment, das Benjamin Dürr da vor ein paar Tagen auf „The European“ angestellt hat. Könnte es sein, dass der Rechtspopulismus in die Krise gerät, weil ihm durch die Umstürze im arabischen Raum sein zentrales Feindbild abhanden kommt – der dumpfe und politisch motivierte Islam potenzieller Selbstmordattentäter? Weil sich plötzlich zeigt, dass im arabischen Raum ganz normale Menschen leben, die den Westen nicht hassen, sondern gerne ein bisschen mehr Westen im eigenen Land hätten?
Mir gefällt dieser Gedanke. Ich kann ihn nur nicht nachvollziehen. Zumindest nicht aus österreichischer Perspektive, für die ich hier (Anmerkung: Dieser Text erscheint auch im deutschen Debattenportal The European) mehr und mehr zuständig werde. Was das Abarbeiten an Rechtspopulisten betrifft, haben wir ja schon viele Jahre Tradition. Und über die Jahre haben sich ein paar Wesenszüge heraus kristallisiert, die als typisch für jenen Protestwähler gelten, der sich zu Rechtspopulisten hingezogen fühlt.
Er ist ein Modernisierungsverlierer. Er hat Angst vor Zuwanderern und fürchtet sie am meisten, wenn die sich deutlich zu erkennen geben – also, wenn sie Kopftuch oder langen Bart tragen. Er will nicht mehr mit der Vergangenheit belästigt werden. Er hält die Europäische Union für eine Zumutung, die ihn bloß Geld kostet. Und er ist der Meinung, dass die da oben es sich so bequem eingerichtet haben, dass die da unten (also er) die einzigen bleiben, die Schicksalsschläge á la Wirtschaftskrise auszulöffeln haben.
Aus dieser Gefühlslage schöpft zumindest der Rechtspopulismus österreichischer Prägung mit ihrem zentralen Darsteller Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Strache wettert in Wahlkampf-Zeiten gegen den Islam, gegen die EU und die größeren Parteien, die ihm als willkommene Stellvertreter für „die da oben“ erscheinen. Er redet der Angst nach dem Mund, er benennt den willkommenen Feind, als der sich in den vergangenen Jahren vor allem der Islam an sich ergeben hat.
Umstürze in gern besuchten Urlaubsländern wie Ägypten oder Tunesien werden daran nichts ändern, denn die dem Protestwähler zugrunde liegende Angst, von den Vorgängen in der Welt erdrückt zu werden, entkräften diese noch lange nicht. Dafür fehlt schlicht der Blick über den Tellerrand. Die Nachbarin im Haus trägt nach wie vor Kopftuch. Und in die Wohnung im oberen Stock sind auch schon wieder solche Leute eingezogen.
Wer Protestwählern entgegen kommen möchte, damit sie sich nicht rechten Protestparteien wie der FPÖ zuwenden, sollte also besser nicht auf weltpolitische Umwälzungen vertrauen, die dann auch im Kleinen wirken. Und er sollte nicht dem Missverständnis aufsitzen, das hier in Österreich die Sozialdemokraten und die Volkspartei zur Maxime ihrer Politik erkoren haben: Die Rechten vermeintlich entkräften, indem man ihren Parolen zum Mund regiert. Ihre Reizthemen bedienen, indem man bei Kriminalität, Sozialmissbrauch oder Asylfragen ordentlich auf den Tisch haut, und hofft, so keine Protestwähler mehr zu verlieren. Das hat viele Jahre lang nicht funktioniert – doch die Geister, die SPÖ und ÖVP damit gerufen haben, werden sie trotzdem nicht mehr los. Sie haben sich in einem inhaltliche Krise manövriert, in der sie nun verharren müssen.
So, Klugscheißermodus aus, schließlich haben wir Wochenende. Ich übergebe hiermit an das Wiener Duo Christoph und Lollo und deren „Islamlied“. Das handelt in drei Minuten alles ab, was ich oben in vielen Worten zu beschreiben versuche.
Dieser Text erscheint auch im Debattenportal The European.
Foto: Brenda Annerl, Lizenz: CC BY 2.0