Ich weiß, wahrscheinlich bin ich naiv. Wahrscheinlich ist die Welt da draußen bereits völlig von Dirty Campaigning unterwandert. Wahrscheinlich ist alles nur eine große Beeinflussungsmaschine. Wahrscheinlich geht es ohnehin allen um die Weltherrschaft. Und am Ende gewinnt der mit der besten Lügengeschichte.
Eine von Facebook lancierte Lügengeschichte ging dann allerdings doch nicht auf, wie ein Artikel im Online-Magazin The Daily Beast zeigt. Das soziale Netzwerk hatte eine PR-Agentur namens Burson-Marstellar damit beauftragt, Negativ-Meldungen über Google zu verbreiten. Doch leider brachte USA Today lieber einen Hintergrundbericht zum Plan von Facebook, und als der Blogger Chris Soghoian den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und Burson veröffentlichte, zog Daily Beast mit – und Facebooks Plan war endgültig Geschichte.
Doch welche Meldung hätte Facebook eigentlich gerne unter die Leute gebracht? Sie hatte mit Googles Funktion „Social Circle“ zu tun, die dem durchschnittlichen User kaum bekannt ist. Diese listet einem via Google Account eingeloggten User sämtliche Kontakte und sozialen Verbindungen, die die Suchmaschine in Erfahrung bringen kann. Die Daten dafür sammelt Google unter anderem aus öffentlichen User-Profilen in Social Networks wie Facebook.
Fahrlässig handeln immer nur die anderen.
Pikant am Vorwurf ist, dass gerade Facebook durch stete Änderungen seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen dafür sorgt, dass viele dieser Profil-Daten ohne das Wissen der User einsichtig sind. Dumm daran ist, einem Gegner am Markt anzulasten, dass er sich den eigenen laxen Umgang mit Userdaten zunutze macht. Und lehrreich ist, dass eine große PR-Agentur, die für solch eine verdeckte Kampagane engagiert wird, nicht immer eine gute PR-Agentur ist – das aber nur nebenbei bemerkt.
Viel spannender ist das Selbstverständnis der handelnden Akteure, das sich an dieser Panne enthüllt. Da ist auf der einen Seite das Team Sergey Brin und Larry Paige, in dem gemäß einem über Jahre aufgebauten Image den ganzen Tag Lego gebaut wird, um gute Ideen zu haben und dabei niemandem Böses zu tun. Und da ist auf der anderen das Team Mark Zuckerberg, dem seit dem Film „The Social Network“ der Ruf anhaftet, von einem kaltschnäuzigen Soziopathen regiert zu werden.
Wer an die Weltherrschaft glaubt, ist anfällig für Fehler.
Beide Bilder sind natürlich überzeichnet, aber das erzählte PR-Missgeschick offenbart in seiner Peinlichkeit vor allem eines: Die nehmen die ihnen ihnen zugeschriebenen Ansprüche auf Vorherrschaft im Web mittlerweile so ernst, dass sie selbst ein bisschen daran glauben – und zumindest beim Team Facebook ist nun evident, dass ein derartiges Selbstverständnis auch nervös und anfällig für Fehler macht. Und dass diese Fehler Vertrauen zerstören können.
Eine Vielzahl der Geschäfte, die im Web gemacht werden, basieren auf der Auswertung persönlicher Daten. Und die erfolgreichsten Geschäfte wird wohl nur der machen, der diese Daten nutzt und gleichzeitig das Vertrauen seiner User nicht missbraucht. Am Ende wird also nicht die beste Lügengeschichte gewinnen, sondern das beste Geschäftsmodell. Und die besten Geschäftsmodelle basieren auch im Netzt nicht auf Verleumdung, Schlamperei und Dummheit.
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit dem Debattenmagazin The European.