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Dieter Zetsche ist Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler AG und als solcher wohl gänzlich unverdächtig, an der Autoindustrie schädigende Kritik zu äußern. Er tut es auch nicht, doch in der aktuellen Spiegel-Coverstory, die erklärt, dass die Welt in der Zukunft am Energiesparen nicht vorbei kommt, weil sie immer mehr davon braucht, führt er einen interessanten Begriff ein: „Öko-Schizophrenie“ lautet der. Zetsche bezeichnet damit den absurden Umstand, dass jeder offiziell selbstverständlich gerne energiesparende Autos besäße (also solche mit niedrigem Treibstoffverbrauch), aber dann – vor die Wahl gestellt – doch lieber zur Turboversion greift.
Soll zum Beispiel heißen: Autojournalisten schreiben gerne über Sparautos, aber wenn es ans Ausfassen von Testwägen geht, greifen sie zum PS-Ungetüm, weil: Auslachen lässt man sich dann ja doch nicht, oder?
Und soll auch heißen: Eine Familienkutsche mit niedrigem Benzinverbrauch mag einem zwar sinnvoll vorkommen, der feuchte Männertraum wird sie aber nie werden. Der hat nämlich ein paar Zylinder mehr und mindestens 150 PS, weil: Kastrieren lässt man sich dann doch nicht, oder?
Der Großteil meines Freundeskreises setzt sich aus begeisterten Autofahrern zusammen. Einer der Freunde benutzt gerne einen schönen Satz, wenn er über seine Freude am Fahren auf der Autobahn erzählt. „Man muss das sportlich sehen“, sagt er. Der Sport ist für ihn, den Verkehr „im Fluss“ zu halten, und er kriegt glänzende Augen, wenn er davon erzählt: Wenn Drängler heran brausen, sofort nach rechts. Und dann sofort wieder nach links und sportlich voran, voran, voran. Wenn es ihm hilft, dass auch das Sport ist, dann bitte …
Dass Autofahren als Sport begriffen wird, ist ein altes Missverständnis. Es ist dafür verantwortlich, dass sich Männer für die besseren Autofahrer halten, weil sie auch besser Fußball spielen. Es ist dafür verantwortlich, dass hirnlose Raserei mit Schulterklopfen belohnt wird. Es ist dafür verantwortlich, dass an sich sympathische Menschen hinter dem Steuer ihre Persönlichkeit verändern. Und es ist auch für Dieter Zetsches Öko-Schizophrenie verantwortlich. Denn billiger tanken ist zwar fein, aber lahm überholen ist schlimmer.
Wie gesagt, absurd das Ganze. Erfreulich ist allerdings der Ausblick, den die Spiegel-Geschichte in die Zukunft wagt. Denn der kommt ausgerechnet aus den USA, dem Mutterland des Energievergeudens, der Hochburg der Auto-gleich-Sport-Fraktion: Dort kämpfen derzeit gerade jene Autohersteller mit herben Umsatzeinbrüchen, die in den vergangenen Jahren ausschließlich benzinschluckende Pseudo-Militärfahrzeuge auf den Markt geworfen haben. Der Grund: Die Treibstoffpreise sind in den USA beispiellos explodiert, in einer Dimension, die mit der hiesigen nicht annähernd vergleichbar ist: von bis zu 40 Prozent binnen Monaten wird berichtet. Ein guter Nährboden für eine Politik, die nun auch in den USA das Energiesparen als ernstzunehmendes Thema erkennt. Und ein guter Vorgeschmack auf die Zeit, in der billiger Treibstoff nicht mehr als Menschenrecht betrachtet werden wird. Nein, das ist es wirklich nicht. Und ja, am Schluss werde ich gewinnen: Denn wenn sich’s keiner mehr leisten kann, hat sich’s offensichtlich auch mit der Sportlichkeit im Auto. Ich freue mich schon jetzt darauf.