Bis 29. Mai soll es also auf jeden Fall weitergehen mit der #spanishrevolution, mit jener Protestbewegung, die mit ihren Anliegen so gut als Blaupause einer Protestbewegung gegen das in Europa (und Österreich) grassierende Gespenst der Postdemokratie passt.
Nur: Tut sie das wirklich, so wie in einer ersten Euphorie vor zwei Tagen erhofft? Und vor allem: Hielte die #spanishrevoltion auch einem Transfer nach Österreich stand?
Als Einstieg dazu bietet sich das Interview mit Harald Katzmair und Harald Mahrer an, das am 17. Mai auf derstandard.at erschienen ist. Die beiden Wissenschaftler (Katzmair ist Soziologe und Philosoph, Mahrer ist Ökonom) haben ein Buch mit dem Titel „Die Formel der Macht“ veröffentlicht. Im Interview landen sie abschließend bei der Frage, ob es auch in Österreich denkbar sei, dass sich unzufriedene Bürger zu einer Alternative zu den etablierten Parteien verbünden können. Ihre Antwort ist ein klares „Ja“, und Mahrer skizzert diese Bewegung folgendermaßen:
Das wäre eine Bewegung, die das Gemeinsame vor das Trennende stellt, die zwar wertebewusst ist, aber entideologisiert, nicht in der klassischen Rechts-Links-Einordnung. Wir kennen alle die Probleme in diesem Land. Wir wissen, dass wir im Pensionssystem, im Gesundheitswesen und in der Bildungspolitik etwas tun müssen. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Unzufriedenheit bei jenen, die viele Ressourcen zur Verfügung haben, ist groß. Irgendwann reißt der Geduldsfaden.
Der Schlüssel für ein erfolgreiche Protestbewegung liegt also auch darin, dass sich um die Kernanliegen des Protests eine Solidargemeinschaft bildet, die über ideologische und gesellschaftliche Grenzen hinweg funktioniert.
Ohne Solidargemeinschaft keine Protestbewegung
Eine Solidargemeinschaft ist nicht links und nicht rechts. Sie ist nicht jung oder alt. Sie ist nicht männlich oder weiblich. Sie wird von einer alle Schichten verbindenden Unzufriedenheit befeuert. Nicht umsonst nennen sich die Demonstranten in Spanien los Indignados, die Empörten.
Diverses statistisches Material, das von der aktuellen Gemütslage Österreichs erzählt, erzählt ebenfalls vom –zumindest theoretischen – Potenzial einer Protestbewegung. Laut einer aktuellen IMAS-Umfrage trauen 44 Prozent der Österreicher keiner Partei zu, die wichtigen Probleme des Landes zu lösen. Eine ebenfalls kürzlich publizierte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM erhob, dass derzeit 29 Prozent der Wähler die FPÖ wählen würden – und nur 28 Prozent die SPÖ und 29 Prozent die ÖVP. Trotz aller gebotenen Vorsicht bei der Bewertung solcher Momentaufnahmen aus kleinen Samples zeigt sich, dass die regierende große Koalition in Österreich nicht mehr den Segen der Mehrheit genießt.
Österreich und der Protest – ein gespaltenes Verhältnis
Nur hat Österreich ein gespaltenes Verhältnis zu seinen Protestbewegungen. Die historisch erfolgreichste, die Grünen, kommen auch dieser Tage nicht so in die Gänge wie ihre Kollegen in Deutschland und stehen wahrscheinlich bis ans Ende ihrer Tage unter dem Generalverdacht, den Autofahrern das Leben schwer zu machen.
Und die jüngste – #unibrennt im Herbst 2009 – konnte sich nie zu jener Solidargemeinschaft auswachsen, die es für Breitenwirkung braucht. Über die Gründe dafür kann ich nur spekulieren. Vielleicht lag es im Falle von #unibrennt daran, dass mit Bildungsthemen in einem bildungsfeindlichen Land wie Österreich keine große Solidarität zu schaffen ist. Und vielleicht lag es auch daran, dass die Krone-Hälfte des Landes Studenten prinzipiell für arbeitsscheues Gesocks hält, das sich auf Kosten der braven Bürger eine paar schöne Jahre auf weichen Drogen macht.
Schon angesichts dieser oberflächlichen Analyse beschleicht einen daher das Gefühl, dass Unzufriedenheit alleine in Österreich nicht zur Protestbewegung reicht. Unzufriedenheit ist hier Teil des Lifestyle. Sie verleitet hier nicht zur Aktion, sondern zur Reaktion. Und die fällt dann entweder resignativ oder reaktionär aus – oder gleich zu Gunsten einer rechtsnationalen Truppe.
Foto: Jesus Solana, Lizenz: CC BY 2.0