Es ist gut, nicht alles zu wissen. Da arrangiert man sich dann auch bestens mit einem schnöden Remix-Album von Tricky. Eine Empfehlung.
Ich gebe es lieber gleich zu: Obwohl vielerorts hoch gelobt, ist Trickys 2008er-Album „Knowle West Boy“ spurlos an mir vorüber gegangen. Einmal probiert, dann in den Tiefen des Archivs versenkt und nie mehr wieder hervor gekramt. Das kann ein Fehler gewesen sein, aber Musik bleibt Musik und die Welt steht zwar vielleicht nicht mehr lang, aber trotzdem noch immer. Dass ich es mir in den nächsten Tagen garantiert ein zweites Mal anhöre, hat aber nicht die späte Wiedergutmachung als Grund, sondern die Spurensuche.
Vor zwei Tagen geriet ich nämlich an das Album „Tricky Meets South Rakkas Crew“, das mir im Tonträger-Blog der Zeit von Jan Freitag als neues Studioalbum und mit lobenden Worten versehen ans Herz gelegt worden ist. Das war genau der richtige Zugang: Weil mir „Knowle West Boy“ in keinem Ton in Erinnerung war, habe ich nicht einmal bemerkt, dass es sich hier um eine bloße Remix-Sammlung handelt, um die Tricky die South Rakkas Crew gebeten hat, ein Dancehall-Kollektiv aus Miami. Und weil ich es noch immer nicht geschafft habe, mir die Originale anzuhören, ist mir daraus binnen zwei Tagen mein persönliches Lieblingsalbum von Tricky seit Jahren erwachsen. Obwohl: Ich hatte nie eines, auch damals in den 90ern nicht, als es wichtig gewesen wäre, eines zu haben. Er war mir recht als Rapper auf Massive Attacks epochalem „Blue Lines“. Er war mir okay mit seinem Debüt „Maxinquaye“ ein paar Jahre später. Und er wurde mir mit seiner ewig bekifften Düsternis dann recht schnell egal. Den Blues habe ich selber oft genug, den muss ich ihn mir nicht auch noch von jemandem vorflüstern lassen. Wobei zur Ehrenrettung Trickys schon gesagt werden muss: Er war einer der wenigen, die sich konsequent den Weichspültendenzen verschlossen, die das damals schnell gezimmerte Genre TripHop schneller erfassten, als ihre Protagonisten ihre Joints rollen konnten.
Aber mit Tricky und mir wurde es trotzdem nichts mehr. Das war nicht seine Schuld, sondern die Schuld meines Geschmacks, der sich zunehmend von dem verrauchten Wohnzimmerproduzentenzeugs abwendete, weil zu viel vom Gleichen irgendwann zeigt, dass ohne Songwriting gar nichts Freude macht.
Aber jetzt eben „Tricky Meets South Rakkas Crew“ (Hörprobe hier), ein über weite Strecken recht kompromissloses Stück Musik, das selten Melodie wagt und oft erklärt, wie es klingen könnte, wenn Techno einst nicht in Berlin, sondern in Jamaica seine Hochburg gehabt hätte. Fast schade zu wissen, dass es sich hier um Remixes handelt. Ich mag nämlich keine Remixes. Sie sind meistens uninspiriert und langweilig, ein Relikt der 90er-Jahre, als irgendwelche Knöpferldreher plötzlich zu Stars geworden waren, weil sie an Songmaterial gerieten, dass gut genug war, um nicht von ihren Beats und dem anderen coolen Zeug vollends ruiniert zu werden.
Aber ich habe mich in diesem Fall damit arrangiert: Vielleicht ist es doch am besten, „Knowle West Boy“ weiter zu ignorieren. Dann habe ich meine späten Weg zu Tricky gefunden, lebe in der Illusion, dass es sich hier um seine beste Platte seit Jahren handelt, und werde heute Abend beim Heimfahren mit diesem Dancehall-Monster „Baligaga“ glücklich. Ich werde den Tag heute ohnehin nicht mögen. Und da passt es perfekt, dass ich Dancehall eigentlich auch nicht mag.